Ein lernendes System in der Teilhabe: Die 500.000 Beratung hat im EUTB-Angebot Ravensburg-Sigmaringen stattgefunden
In dem Beitrag „500.000ste Beratung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung – eine Lotsin durch das System“ stellte die Fachstelle Teilhabeberatung die Vielfältigkeit dar, die 500.000 Beratungen in den Beratungsangeboten der EUTB® ausmachen. Heute möchten wir das Beratungsangebot vorstellen, indem die 500.000ste Beratung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung stattfand: Das EUTB®-Angebot Ravensburg-Sigmaringen. In dem EUTB®-Angebot berät ein multiprofessionelles Team von Peer-Berater*innen und Sozialarbeiter*innen in den Landkreisen Ravensburg und Sigmaringen. Das Beratungsangebot wurde durch die Arkade e.V. im Mai 2018 gegründet. Die Arkade e.V. selbst ist ein gemeinnütziger Verein und seit über 40 Jahren in Gemeindepsychiatrie und Jugendhilfe tätig. Die Teammitglieder bringen ein weites Spektrum an persönlichen und beruflichen Erfahrungen für die Beratungspraxis mit.
Wer kommt zu Ihnen in die Beratung?
Getreu dem Motto aller EUTB®-Angebote „Eine für alle" kommen Ratsuchende mit den verschiedensten Voraussetzungen und Beratungsanliegen zu uns. Dabei sind zwei Drittel der Ratsuchenden weiblich. Selbst von einer Behinderung betroffen sind ebenfalls zwei Drittel der Anfragenden. Häufig sind es Menschen, deren Beeinträchtigung im Laufe des Lebens auftritt. Auch zeigt sich, dass die Ratsuchenden oft neben einer körperlichen Beeinträchtigung auch mit psychischen Folge- und Begleiterkrankungen zu kämpfen haben. Die Beratungsanliegen sind dabei eher komplexe Fragestellungen aus mehreren Lebensbereichen. Wiederkehrende Themen sind Unterstützung bei der Beantragung zum Persönlichen Budget, bei der Feststellung und Anerkennung einer Behinderung nach dem Schwerbehindertenrecht (GdB-Antrag), einer Erwerbsminderungsrente und der Themenkreis Autismus.
Was bedeutet für Sie „gute Beratung“?
Wir alle möchten die Ratsuchenden bei der Erreichung ihrer eigenen Ziele unterstützen, ganz im Sinne von Empowerment. Dabei ist es uns wichtig, die Menschen da abzuholen, wo sie im Moment sind, und sie in ihrem individuellen Tempo zu begleiten. Wichtig ist es uns außerdem, uns ausreichend Zeit für alle Ratsuchenden zu nehmen und unser Wissen im Sinne des Menschen einzusetzen. Dabei dürfen besondere Bedarfe bei der Kommunikation keine Barriere für eine Beratung sein. Auf der sprachlichen Ebene ist es uns beispielsweise wichtig, dass wir vom Gegenüber verstanden werden. Wir versuchen, uns der möglichen Hindernisse bewusst zu werden und sie individuell zu lösen. Das stellen wir unter anderem mit der Beratungsmethode des Peer Counseling, Dolmetschenden und mit Hilfe spezialisierter Netzwerkpartner*innen auf Augenhöhe her. Zudem ist es grundsätzlich unser Ziel, Barrierefreiheit wo immer möglich herzustellen. Da wir an verschiedenen Orten innerhalb beider Landkreise beraten, herrscht nicht immer perfekte Barrierefreiheit, daher versuchen wir, spezielle Bedarfe möglichst frühzeitig in Erfahrung zu bringen, individuelle Lösungen anzubieten und angemessene Vorkehrungen umzusetzen. Das kann zum Beispiel eine persönliche Begleitung vom Bahnhof zum Beratungsangebot (eine kurze Strecke zu Fuß) für jemanden mit starker Sehbehinderung sein oder die Organisation einer Rampe, um vor Ort einen Höhenunterschied zu bewältigen.
In den meisten Örtlichkeiten haben wir es geschafft, ebenerdig oder mit Aufzug erreichbare Räumlichkeiten anzubieten. Häufig gibt es in kurzer Distanz einen Behindertenparkplatz und Zugang zu behindertengerechten Toiletten.
Was war Ihre größte Herausforderung beim Aufbau Ihres EUTB®-Angebots?
Da wir in der EUTB® Ravensburg-Sigmaringen ein Team aus Sozialarbeiter*innen und Peer-Berater*innen sind, hat es seine Zeit gedauert, bis alle den eigenen Platz und die eigene Funktion in der Beratungsarbeit entwickeln konnten. Wir haben es inzwischen gut geschafft, ein gut funktionierendes Ganzes zu bilden. Wir verstehen uns dabei als lernendes System, dessen Entwicklung nie abgeschlossen sein wird.
Eine weitere Herausforderung war es, das Beratungsangebot in der Fläche bekannt zu machen und mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen zuverlässig vor Ort zu implementieren und zu pflegen. So stellten wir beispielsweise im letzten Jahr unsere Arbeit in der Sendung Mensch Mayer oder an der Hochschule Ravensburg im Rahmen einer Vorlesung vor und entwickelten im Laufe der Zeit einen Newsletter, um uns inhaltlich zu positionieren.
Beratung während der Corona-Pandemie
In der Corona-Pandemie war es ein grundlegendes Anliegen, dass wir in Zeiten von sozialer Distanz sowie geschlossener Behörden auch weiterhin persönliche Beratung anbieten. Dies erforderte Kreativität und die Entwicklung unkonventioneller Beratungsformen wie beispielsweise den „Beratungsspaziergang". Selbstverständlich haben wir daneben wie viele andere Beratungsangebote verstärkt Telefonberatung gemacht und die Möglichkeit zur Online-Beratung geschaffen. So sehen wir die Pandemie am Ende auch als Chance, unsere Beratungsformen erweitert zu haben.
Was würden Sie als Ihre größte Erfolgsgeschichte bezeichnen?
Es ist schwierig, sich festzulegen, weil jede Unterstützung, die wir beitragen konnten, um den nächsten Schritt zu gehen einen individuellen Erfolg darstellt, dessen Größe nur subjektiv zu bestimmen ist.
Oftmals ist es ein Erfolg, wenn zustehende und dringend benötigte Leistungen bewilligt werden. Das kann z.B. ein nach langem Kampf bewilligtes Dreirad für Erwachsene sein, die erfolgreiche Finanzierung eines behindertengerechten Fahrzeugs zur Aufnahme des Studiums oder auch der Wiederaufbau des Lebens mit der Ursprungsfamilie durch ein Persönliches Budget nach Jahren in einer besonderen Wohnform.
Unsere Beratungszahlen haben die Tausendermarke bereits weit hinter sich gelassen, was aus unserer Sicht auch ein Erfolg unserer Öffentlichkeitsarbeit und der geleisteten Netzwerkarbeit ist. Viele Ratsuchende haben uns mittlerweile weiterempfohlen. Diese Bestätigung unserer Arbeit macht uns besonders stolz.
Herzlichen Dank liebes Team Ravensburg-Sigmaringen für Ihre Zeit und Ihre Arbeit. Herzlichen Glückwunsch zur 500.000sten Beratung!
Netzwerkarbeit als eine Säule des Erfolgs
Das EUTB®-Angebot Ravensburg-Sigmaringen so wie die weiteren EUTB®-Angebote bundesweit sind in den Nachbarkreisen regelmäßig und untereinander fachlich eng vernetzt. Es finden regelmäßige Fachtreffen statt und bei fachlichen Fragen wird sich vertrauensvoll ausgetauscht. Dabei ergänzen sich die Beratungsangebote gegenseitig. Hilfreich ist dabei das persönliche Bekanntsein der EUTB® und das Kennen von Ansprechpersonen sowie eine klare Kommunikation über Auftrag und Grenzen des EUTB®-Angebots.
Welche Institutionen mit den EUTB®-Angeboten bundesweit, regional und lokal kooperieren und wie sich diese Zusammenarbeit gestaltet, erfahren Sie in Kürze in einem weiteren Beitrag.