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Was ist Leichte Sprache? Im Gespräch mit Marlene Seifert

Icon: Interview Leichte Sprache

Für viele Menschen in unserer Gesellschaft ist die Alltagssprache schwer verständlich und stellt eine Barriere dar. Ein Instrument der Barrierefreiheit ist die Leichte Sprache. Marlene Seifert, Dolmetscherin und Übersetzerin, verrät uns im Interview einiges über die vereinfachte Form der deutschen Standardsprache.

Das Konzept der Leichten Sprache ist in den USA entstanden aus dem Bedürfnis nach mehr Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Seit den 1960er Jahren gibt es Leichte Sprache auch in Europa, Vorreiter war Skandinavien. In Deutschland gibt es Leichte Sprache seit den 1990er Jahren. Sie wurde von und für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt. Menschen mit Lernschwierigkeiten sind die Kernzielgruppe. Doch Leichte Sprache ist auch für viele andere Menschen besser verständlich: Menschen mit Demenzerkrankungen, mit wenig Deutschkenntnissen oder mit Hörbehinderungen – die Deutsche Gebärdensprache hat eine eigene Grammatik, daher ist die Standard-Schriftsprache für gehörlose Menschen manchmal schwer zu verstehen. Hier hilft die Leichte Sprache auch.

Frau Seifert, wie unterscheidet sich Leichte Sprache von der Alltagssprache?

Offensichtliche Merkmale sind einfache Wörter, kurze Sätze mit ein bis zwei Aussagen und optisch markierten Erklärungen für schwere Wörter. Lange Wörter haben einen Bindestrich oder einen Mediopunkt, Texte in Leichter Sprache haben viele Absätze und Bilder. Auch im Schriftbild ist Leichte Sprache einfach zu erkennen: Die Schriftgröße liegt bei 14 pt und der Zeilenabstand ist 1,5-fach, darum werden Texte in Leichter Sprache oft länger beim Übersetzen.

Wie gestaltet sich der Prozess der Übersetzung? Welche Regeln gelten?

Bei der Übersetzung bitten wir immer um den Ausgangstext, damit wir den Schwierigkeitsgrad eines Textes bewerten können. Zuerst liest man den gesamten Text und arbeitet sich dann durch die Textteile. Inhaltliche Fragen werden geklärt und es empfiehlt sich, die erste Übersetzung inhaltlich abzustimmen. Durch die Vereinfachung kann es zu Fehlern kommen, die man mit diesem Schritt findet und beheben kann.

Dann geht der Text an die Prüfgruppe. Zu einer Prüfgruppe gehören mindestens zwei Menschen mit Lernschwierigkeiten, es können aber auch mehr sein.
Sie prüfen, ob die Regeln der Leichten Sprache eingehalten wurden und ob der Text für Menschen mit Lernschwierigkeiten wirklich verständlich ist. Wir arbeiten nach den Regeln vom Netzwerk Leichte Sprache.

Die Prüfgruppe entscheidet: Dieser Text ist wirklich ein Text in Leichter Sprache oder nicht. Die Prüfgruppe ist sehr wertvoll, denn oft tauchen beim Übersetzen verschiedene Fragen auf und es ist hilfreich, wenn man zusammen mit der Prüfgruppe gute Lösungen findet. Die Prüf-Personen sind Expert*innen in eigener Sache und essenziell für die Erstellung guter Texte in Leichter Sprache. Ich lerne viel von den Prüfern und Prüferinnen.

Wie ist es mit der 1:1-Dolmetschung, z. B. auf einer Veranstaltung?

Ich spreche dann oft von einer Simultanübersetzung, weil man nicht Wort für Wort übersetzt. Oft hört man mit einem Ohr zu, und mit dem anderen auf die eigene Stimme, die das Gesagte in einfachen Worten wiederholt. Wenn schnell und/ oder schwer gesprochen wird, fasst man manchmal nur grob zusammen. Es kann auch vorkommen, dass Informationen wegfallen. Oft geht es bei Veranstaltungen aber darum, dass Teilnehmende folgen können und wissen, worum es geht. Das schafft man meistens.

Warum ist Leichte Sprache wichtig?

Leichte Sprache ist wichtig für Selbst- und Mit-Bestimmung. Nur wenn ich etwas richtig verstehe, kann ich mit-reden und mit-entscheiden. Leichte Sprache ist ein wichtiger Teil der kommunikativen Barrierefreiheit, sie ermöglicht Inklusion. Wenn alle alles gut verstehen, können alle gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben.

Weiterführende Informationen:

Wie dieser Text in Leichter Sprache aussieht und in diese übersetzt wurde sehen Sie auf dieser Seite.

06/2021