Unabhängige Patientenberatung Deutschland
Thorben Krumwiede ist seit 2016 Geschäftsführer "Unabhängige Patientenberatung Deutschland". Für uns ein guter Zeitpunkt, die letzten Jahre Revue passieren zu lassen und gleichzeitig einen Blick auf zukünftige Herausforderungen zu werfen.
Herr Krumwiede, seit dem 1. Januar 2018 gibt es die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB®), seit wann gibt es die UPD?
Die Unabhängige Patientenberatung mit einem gesetzlichen Beratungsauftrag gibt es bereits seit knapp einem Jahrzehnt; die UPD in dieser Form ist Anfang 2016 für eine Förderphase von sieben Jahren an den Start gegangen.
In den vergangenen zwei Jahren fanden sehr viele Beratungen zu unterschiedlichen Anfragen zu den Themen Teilhabe und Rehabilitation in den EUTB®-Angeboten statt. Wie viele Menschen berät die UPD jährlich?
Als Größenordnung lässt sich sagen, dass die Beraterinnen und Berater weit mehr als 100.000 Menschen im Jahr beraten. Die Zahl der Beratungen liegt deutlich darüber, was auch daran liegt, dass sich Ratsuchende mitunter mehrfach und zu unterschiedlichen Themen beraten lassen.
Es sind mittlerweile rund 500 EUTB®-Angebote deutschlandweit etabliert, die Beratungen vor Ort, telefonisch oder postalisch anbieten. Sie sollen Ratsuchenden und ihren Angehörigen Orientierungs-, Planungs- und Entscheidungshilfe geben. Wie viele Beratungsstellen der UPD gibt es deutschlandweit?
Wir unterscheiden zwischen persönlichen Vor-Ort Beratungsangeboten und mobilen Beratungsangeboten. In Ergänzung zu unseren 30 festen Beratungsstellen in Deutschland, die nach telefonischer Terminvereinbarung genutzt werden können, macht unsere Beratung mit drei UPD-Beratungsmobilen einmal im Quartal an bis zu 100 weiteren Standorten in Deutschland Station. Dadurch haben viel mehr Menschen die Möglichkeit für eine persönliche Beratung Vor-Ort. Beratung durch unsere Videotelefonie mit zugeschalteten Kolleginnen und Kollegen mit besonderer fachlicher Kompetenz sind mobil genauso wie in den festen Beratungsstellen möglich. Dazu gehören beispielsweise Beratungsthemen wie Zahnmedizin oder eine Simultanübersetzung für fremdsprachige Beratungen.
In den EUTB®-Angeboten spielt Vernetzung neben klassischer Öffentlichkeitsarbeit eine zentrale Rolle. Wie werden die Ratsuchenden auf die UPD aufmerksam?
Aus vielen positiven Rückmeldungen von Ratsuchenden wissen wir, dass wir oft nach einer Beratung weiterempfohlen werden. Das freut und motiviert uns ganz besonders. Auch die bereits erwähnten UPD-Mobile tragen dazu bei, unsere Beratungsangebote bekannter zu machen. Wenn uns Ratsuchende nach einer Beratung selbst sagen, wie sie auf uns aufmerksam geworden sind, rangiert das Internet an erster Stelle. Deshalb spielt die Online-Kommunikation für uns eine besonders wichtige Rolle. Auch unsere übrige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und die Netzwerkarbeit, also der Austausch mit anderen Einrichtungen wie zum Beispiel auch der Fachstelle Teilhabeberatung, trägt natürlich dazu bei, bekannter zu werden. Klar ist aber auch: Bis alle Menschen in Deutschland uns kennen, ist es noch ein weiter Weg.
Die EUTB®-Angebote sind nur dem Ratsuchenden gegenüber verpflichtet. Sie beraten umfassend und über einen längeren Zeitraum. Erfolgt bei der UPD eher eine längere „Betreuung“ oder geht es in Richtung einmalige Beratung?
Das ist eine sehr gute Frage, die sich einfach nicht mit ja oder nein beantworten lässt. Grundsätzlich kann und soll die Patientenberatung keine Einzelfallbetreuung leisten, weder bei medizinischen noch bei gesundheitsrechtlichen Fragen. Deshalb ist die einmalige Beratung sozusagen der Regelfall. Unsere Beratungsangebote verstehen sich nicht als Ersatz für die vielen guten und besonders spezialisierten Beratungsangebote, auf die wir in der Beratungspraxis gern verweisen. Es gibt aber auch immer wieder Beratungsanfragen, die über die einmalige Beratung hinausgehen, weil sich in der Beratung zeigt, dass weitere Aspekte geklärt werden sollten.
Die Berater*innen der EUTB®-Angebote bieten keine Rechtsberatung. Sie beraten nach der Methode des Peer Counseling. Das bedeutet, das die Berater*innen aus einer Gruppe mit gleichen oder ähnlichen Erfahrungen kommen. Außer den selbsterfahrenen und geschulten Peers, die 64% der Berater*innen abbilden, gibt es Mitarbeiter*innen aus den Bereichen Sozialpädagogik, Psychologie und Angehörige von Menschen mit Behinderungen. Wie wird bei der UPD mit Rechtsfragen umgegangen?
Zunächst lässt sich sagen, dass ein Großteil unserer Beratungen mindestens von rechtlichen Aspekten geprägt ist. Ein Blick auf unsere Beratungsdokumentation zeigt, dass sich der größte Teil der von uns erfassten Beratungen auf das Thema Leistungsansprüche bezieht. Dazu zählen Fragen rund um das Krankengeld oder auch Beratungen zu Hilfsmitteln, wenn beispielsweise eine Krankenkasse den vom Arzt verordneten Duschstuhl nicht erstatten will. Entsprechend groß ist bei der UPD der Anteil der Beraterinnen und Berater, die gesundheits- und sozialrechtliche Kenntnisse mitbringen.
In unseren rechtlichen Beratungsteams arbeiten Juristinnen und Juristen, Sozialversicherungsangestellte und andere geschulte Beraterinnen und Berater. Angesichts der sehr dynamischen Veränderung der gesetzlichen Bestimmungen werden unsere Beraterinnen und Berater fortlaufend geschult. Die Ratsuchenden können sich deshalb darauf verlassen, dass die Beratung immer auf dem aktuellen Stand ist. Im Übrigen gilt für die gesundheitsrechtliche genauso wie für die mehr medizinisch ausgerichtete Beratung, dass sie immer zum Ziel hat, dass die Ratsuchenden schließlich selbstbestimmt, eigenverantwortlich und auf informierter Grundlage selbst die für sie richtige Entscheidung treffen können. Um das aber mit gutem Gefühl für sich beschließen zu können, sind unsere Beraterinnen und Berater oftmals erstmal gefordert, die möglichen Optionen in Ruhe aufzuzeigen. Ratsuchende empfinden das oft als eine ganz besonders wertvolle Hilfestellung. Denn unsere qualifizierte und unabhängige rechtliche Beratung, die für die Ratsuchenden noch dazu in jedem Fall kostenfrei ist, ist sicher eine der besonderen Stärken der Patientenberatung.
Die Fachstelle Teilhabeberatung übernahm 2017 die fachliche und inhaltliche Begleitung der EUTB®-Angebote. Sie organisiert Fachtagungen und Schulungsveranstaltungen, auf denen sich vernetzt und weitergebildet wird. Sind die UPD-Beratungsstellen untereinander gut vernetzt bzw. wie erfolgt Wissenstransfer?
Nach meinem Eindruck sind wir mit Blick auf die Vernetzung mit anderen regionalen Netzwerkpartnern gerade in den vergangenen Monaten ein gutes Stück vorangekommen. Ich sehe auf diesem Gebiet aber auch noch viel Potenzial. Was Vernetzung und Wissenstransfer innerhalb unserer Beratungsstrukturen betrifft, so haben wir durch unseren zentralisierten Beratungsansatz sicher besondere Vorteile. Die Prinzipien unseres Qualitätsmanagements und unsere Beratungsgrundlagen, auf die unsere Beraterinnen und Berater zurückgreifen, sind für alle im Team maßgeblich, unabhängig davon, wo sie arbeiten. Den Austausch untereinander fördern wir zudem durch Treffen, Telefon- und Videokonferenzen, die gerade angesichts der derzeitigen Herausforderungen durch das Corona-Virus für uns natürlich eine noch wichtigere Rolle spielen. Wertvolle Informationen, die wir in unsere Beratung auf allen Beratungswegen einfließen lassen können, kommen wiederum in Form von Hinweisen auf regionalspezifische Beratungseinrichtungen insbesondere auch aus den Vor-Ort-Beratungsstellen.
Für uns ist es essenziell, die Eigenverantwortung von Menschen mit Behinderungen zu stärken und die Selbstbestimmung zu fördern. Welches Ziel / Zweck verfolgt die UPD gegenüber den Ratsuchenden?
Im Kern geht es darum, durch Information, Aufklärung und Beratung die eigene Gesundheitskompetenz der Ratsuchenden zu stärken. Unsere Beratung soll den Ratsuchenden helfen, die für sie passende Entscheidung zu treffen. Handlungsleitend für unsere medizinischen Beratungen sind dabei die Methoden des Shared Decision Making. Wenn Patientinnen und Patienten in einem partnerschaftlichen Dialog und auf gut informierter Grundlage die für sie richtigen Entscheidungen treffen, ist das gut für alle Beteiligten.
Welche Unterschiede sehen Sie zwischen UPD und EUTB®?
Ich sehe vor allem Gemeinsamkeiten: Beide Beratungsangebote sind noch vergleichsweise jung und haben sich nach einer Aufbauphase in der Praxis bewähren können.
Beide Beratungsangebote sind außerdem von der Motivation getragen, eine Beratung in zeitgemäßer Form anzubieten, die sich an den Bedürfnissen derjenigen ausrichtet, die von der Beratung profitieren sollen.
Beide, EUTB® und UPD beraten unabhängig, beide Beratungsangebote sind in der Nutzung kosten- und barrierefrei. Und beide Beratungseinrichtungen überlassen es den Ratsuchenden selbst, sich die für sie passende Beratungsform oder Beratungsstelle aus einer Vielzahl an Wegen oder Beratungsstellen auszuwählen. Auch der Gedanke des Leitbilds der EUTB®, partnerschaftlich mit allen Netzwerkpartnern zusammenzuarbeiten, die sich dem übergeordneten Ziel verpflichtet fühlen, passt komplementär sehr gut zur allgemeineren Beratungsaufgabe der UPD. Im Fall der EUTB® bezieht sich das Ziel spezifisch mehr auf Rehabilitation und Teilhabe.
Wir bedanken uns für das Interview und wünschen Ihnen und der UPD weiterhin viel Erfolg!