Grundlage von allem - Digitale Beratung in der Praxis aus Sicht der Barrierefreiheit: im Gespräch mit Sven Niklas von der Bundesfachstelle Barrierefreiheit
Was ist bei einer Beratungssituation im Hinblick auf Barrierefreiheit zu beachten?
In der konkreten Beratungssituation gibt es aus meiner Sicht verschiedene Konstellationen, die hier zu erwähnen wären. Es gibt Ratsuchende, bei denen die Bedürfnisse bekannt sind. Die beratende Person kennt bereits alle Bedürfnisse und kann sich dementsprechend darauf einstellen. Hier sehe ich nur dann Herausforderungen, wenn die beratende Person keine Möglichkeiten hat, mit angemessenen Vorkehrungen zur reagieren, z.B., wenn eine Dolmetschung notwendig wäre. In Vorbereitung auf eine Beratung kann als angemessene Vorkehrung beispielsweise über Tastaturkombinationen informiert werden, so dass der*die Ratsuchende diese nutzen kann.
Um Barrierefreiheit für alle zu ermöglichen, streben beispielsweise die EUTB®-Angebote ein universelles Design an: Die Beratung wird so gestaltet, dass sie von allen Menschen möglichst ohne weitere Anpassung oder Spezialisierung nutzbar ist. Da jedoch jeder Mensch unterschiedliche Bedürfnisse hat, sind zusätzliche Maßnahmen notwendig. Man spricht von angemessenen Vorkehrungen. Angemessene Vorkehrungen sind gemäß der Definition in Artikel 2 der UN-Behindertenrechtskonvention konkrete und geeignete Maßnahmen, die im Einzelfall ergriffen werden, um den Gleichbehandlungsgrundsatz zu gewährleisten. Das kann z.B. die Bereitstellung von Informationen in Leichter Sprache, Großdruck, Braille oder Gebärdensprache, oder auch eine umfangreiche bauliche Veränderung sein. Empfehlenswert ist es, die individuellen Bedürfnisse der Ratsuchenden vorab mit einer Checkliste zu erfragen. Ratsuchende können z.B. angeben, in welcher Sprache sie kommunizieren oder welche zusätzliche Unterstützung sie benötigen. Die Beratungsangebote können dann Vorbereitungen treffen, um die Bedürfnisse der Ratsuchenden zu erfüllen.
Die Situation einer unbekannten ratsuchenden Person stellt eine besondere Herausforderung dar. Dies kann aus meiner Sicht nur dahingehend gelöst werden, indem die angebotene Beratung flexibel gestaltet werden kann. Dies wird in der Praxis sicherlich oft nicht ohne weiteres möglich sein.
Als Team-Mitglied des Focus-Team Barrierefreiheit habe ich an der Erarbeitung von Empfehlungen zu Barrierefreiheit und angemessenen Vorkehrungen mitgearbeitet, die den EUTB®-Berater*innen zur Verfügung gestellt wurden. Sie dienen als Orientierung und ermutigen zur schrittweisen Umsetzung von Barrierefreiheit. Die Empfehlungen haben einen dynamischen Charakter.
Abschließend will ich nochmal auf größere Konferenzen eingehen. Hier sammeln sich alle Herausforderungen, die einem begegnen können. Neben den Bedarfen aller Teilnehmenden und Ausrichtenden kommen weitere Themen hinzu. Sind die gewählten Formate alle barrierefrei? Von der Einladung über die Präsentationen oder die Zugänglichkeit zum Mittagessen. Unzählige Konstellationen führen zu unzähligen Lösungsmöglichkeiten. Diese alle permanent im Blick zu haben ist eine immense Aufgabe.
Wie kann ich das beste Online-Tool für mich bzw. meine Arbeit finden? Können Sie uns drei Stichworte nennen, die beim Thema Barrierefreiheit in der praktischen Umsetzung zu beachten sind?
Das beste Tool muss vor allem in der bestehenden Konstellation zulässig sein. Oft können die bekannten Tools aus der Privatwirtschaft aus rechtlichen Gründen nicht verwendet werden. Dies verringert oft die Auswahl und beschränkt dadurch die Barrierefreiheit.
In der praktischen Umsetzung ist auf die folgenden Hinweise zu achten:
- Auffindbar
- Zugänglich
- Nutzbar
Herr Niklas, vielen Dank für das Gespräch!
Für weitergehende Informationen zur Barrierefreiheit bei Webkonferenzen bietet die Webseite der Bundesfachstelle Barrierefreiheit eine Übersicht.
07/2021